Ein Exemplar des Axoniderma Mexicana - ein fleischfressender Schwamm - ist in der Clarion-Clipperton-Zone in der Tiefsee des Zentralpazifik zu sehen

USA treiben Tiefsee-Abbau voran "Wir zerstören die Tiefsee quasi blind"

Stand: 10.05.2025 09:26 Uhr

Die US-Regierung setzt auf den Abbau seltener Rohstoffe in der Tiefsee, Firmen hoffen auf gute Geschäfte. Meeresbiologen sind entsetzt - auch weil gar nicht klar ist, ob die Industrie die Rohstoffe in Zukunft wirklich braucht.

Ein Staubsauger, groß wie ein Traktor, schleppt sich an einem Kabel-Schlauch über den Meeresboden in 4.000 Metern Tiefe. Mit Getöse saugt er Millionen schwarzer kartoffelgroßer Manganknollen ein, reich an gefragten Rohstoffen wie Nickel, Kobalt, Kupfer, Mangan oder Titan.

So stellt sich das Start-Up The Metals Company in seinem Werbevideo die Zukunft menschlicher Rohstoffgewinnung vor. Und so bewirbt sie ihr Chef, Gerard Barron, im Unterausschuss für Natürliche Ressourcen des US-Abgeordnetenhauses:

Vier Segeltage von San Diego entfernt liegt die Clarion-Clipperton-Zone. Dort befinden sich die polymetallische Knollen in 2,5 Meilen Tiefe. Eine Milliarde Tonnen davon, die wir über 20 Jahre erschließen, könnten mehr als 100.000 Arbeitsplätze schaffen, 300 Milliarden Dollar erwirtschaften und Werften, Offshore-Industrie und Fabriken in den USA wiederbeleben.
Firmenchef Gerard Barron

Trump will mit Dekret Abbau beschleunigen

500 Millionen Dollar Kapital habe The Metals Company, die sich früher DeepGreen nannte, bereits eingesammelt - und die sollen sich jetzt rentieren: Mit einem Dekret von Präsident Donald Trump, das die US-Behörden anweist, den Tiefsee-Mineralienabbau viel schneller zu genehmigen.

Und zwar nicht allein in US-amerikanischen, sondern auch in internationalen Gewässern - ohne dabei die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) zu beachten. Die wäre zuständig, weil der Meeresboden laut Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen als "Erbe der Menschheit" gilt. Er darf nicht einzelnen Staaten oder Unternehmen zur exklusiven Nutzung überlassen werden. Dieses UN-Abkommen haben die USA allerdings nie ratifiziert.

Auswirkungen sind kaum erforscht

Wie sich diese Tiefsee-Industrialisierung auf Pflanzen, Tiere und Menschen auswirkt, sei bisher kaum erforscht, warnt Meeresbiologin Sheryl Murdoch. Sie forscht an der Arizona State University zu den Effekten des Unterwasser-Bergbaus.

Wir werden keine Zeit haben, diese Fragen zu beantworten. Wenn wir uns jetzt darauf einlassen, zerstören wir die Tiefsee quasi blind. Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich habe eine begründete Vermutung: Über 600 Wissenschaftler haben ein Schreiben unterzeichnet, in dem sie eine vorsorgliche Pause fordern. Sie alle sind sich einig, dass es viel zu viele Unbekannte gibt, um jetzt damit loszulegen.
Meeresbiologin Sheryl Murdoch

Die zuständige US-Behörde NOAA hat nach den jüngsten Kürzungen durch die Regierung Trump deutlich weniger Personal zur Verfügung, für die Überwachung des Tiefsee-Bergbaus und seiner komplexen Folgen: Wie vertragen Flora und Fauna den Prozess? Welche Auswirkungen haben aufgewirbelte Sedimente? Wie viel in der Tiefsee gespeichertes CO2 wird dabei freigesetzt und welche giftigen Schadstoffe entstehen dabei?

Ökologische Bedenken spielen für US-Regierung keine Rolle

The Metals Company hat es hingegen eilig, denn die Manganknollen, die heute noch für die Herstellung von Batterien und Elektronik wichtig sind, sind es morgen vielleicht schon nicht mehr. Die Forschung an Photovoltaik und Batterietechnik in China konzentriert sich längst auf andere Herstellungsmethoden, die ohne Seltene Erden auskommen - also mit geringeren Kosten und Risiken.

"Diese Mangan-Knollen bilden sich in der Größenordnung von ein paar Millimetern pro einer Million Jahre. Das sind wirklich alte Dinger und sie werden nicht wiederkommen", sagt Meeresbiologin Murdoch. "Es ist die blanke Ironie, eine nachhaltige Energiezukunft mit einem absolut nicht nachhaltigen Abbauverfahren voranzutreiben."

Das Dekret der Trump-Regierung zum Tiefseebergbau für US-Unternehmen ist wirtschaftlich und geopolitisch motiviert: Es geht um Jobs in den USA, das Wettrennen mit China und das republikanische Wahlversprechen der Reindustrialisierung. Rechtliche, diplomatische und vor allem ökologische Bedenken werden dabei kaum betrachtet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Mai 2025 um 06:26 Uhr.