Eine Polizistin geht über den abgesperrten Teil an einem Tatort auf einem Friedhof. (Archivbild) Nach dem Handgranaten-Wurf im Kreis Esslingen kommt der Fall eines mutmaßlich Beteiligten wieder vors Stuttgarter Landgericht.

Baden-Württemberg Handgranate auf Friedhof Altbach: Fall eines Angeklagten wird neu aufgerollt

Stand: 30.04.2025 15:42 Uhr

Nach dem Handgranaten-Wurf im Kreis Esslingen kommt der Fall eines mutmaßlich Beteiligten wieder vor das Landgericht in Stuttgart. Der BGH hatte das Urteil gegen ihn aufgehoben.

Knapp zwei Jahre nach einem Handgranatenwurf auf eine Trauergemeinde in Altbach (Kreis Esslingen) muss das Landgericht Stuttgart den Fall eines mutmaßlich an dem Streit Beteiligten neu aufrollen.

Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft hatten gegen das Urteil Revision eingelegt, beide hatten nun Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe fand Rechtsfehler bei der Überprüfung des Urteils. Es hob am Mittwoch das Urteil auf, mit dem der Angeklagte im April 2024 zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war. Eine andere Jugendkammer des Landgerichts muss nun erneut über den Fall dieses Angeklagten verhandeln und entscheiden.

Handgranatenwurf: Zusammenhang mit Schuss-Serie im Raum Stuttgart

Der Granatenwurf auf einem Friedhof in Altbach im Juni 2023 hing mit einem seit Jahren andauernden Bandenkrieg im Raum Stuttgart zusammen. Bei der Trauerfeier für einen 20-Jährigen mit mehreren hundert Gästen hatte ein Mann eine Handgranate in die Menschenmenge geworfen, die allerdings von einem Baum abgelenkt wurde. Durch die Explosion und die dadurch freigesetzten Stahlkugeln wurden 15 Menschen teils schwer verletzt. Der Täter wurde von mehreren Trauergästen verfolgt, aus einem Taxi gezerrt und massiv verletzt. Der Handgranatenwerfer selbst ist inzwischen rechtskräftig zu einer Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt.

Hintergrund: Schüsse in der Region Stuttgart
Seit mehr als zwei Jahren fallen immer wieder Schüsse in der Region Stuttgart - fast immer vor Shisha-Bars oder Barbershops, vorwiegend nachts. Immer wieder gibt es Verletzte, auch mindestens einen Toten. Die ersten Schüsse fielen Anfang September 2022 in Mettingen (Kreis Esslingen). Es folgten weitere Vorfälle im Frühjahr 2023 in Ostfildern, Plochingen (hier gleich zwei Mal) und Reichenbach (alle Kreis Esslingen) sowie in Eislingen an der Fils (Kreis Göppingen). Mitte März wurde in Stuttgart-Zuffenhausen geschossen. Am 8. April starb ein 18-Jähriger durch Schüsse in Asperg (Kreis Ludwigsburg). Anfang Juni 2023 wurden zehn Menschen durch den Anschlag mit einer Handgranate in Altbach (Kreis Esslingen) verletzt. Im Zuge der Ermittlungen sind seit Ende 2022 inzwischen mehr als 90 Tatverdächtige festgenommen worden (Stand Januar 2025). Ihnen wird unter anderem gefährliche Körperverletzung, versuchter gemeinschaftlicher Mord oder versuchter Totschlag vorgeworfen. Mehr als 300 Durchsuchungen und Kontrollen wurden im Zusammenhang mit der Schuss-Serie durchgeführt sowie mindestens eine Abschiebung. Die Polizei fand unter anderem Messer, eine Maschinenpistole, Schreckschusswaffen, Mengen an Smartphones unbekannter Herkunft, geringe Mengen Rauschgift und Testosteron - und geladene Schusswaffen in Autos. Bei einer Durchsuchung wurden sogar gefälschte Identitätspapiere sichergestellt. Im Februar 2024 wurde die Prävention im Rahmen der Ermittlungen ausgeweitet. Ein besonderer Schwerpunkt sind laut Landeskriminalamt dabei Brennpunkteinsätze mit intensiven polizeilichen Personen-, Fahrzeug- und Fahndungskontrollmaßnahmen im öffentlichen Raum.

Am BGH ging es nun um einen der Männer, die den Täter verfolgt und verletzt haben sollen. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass insgesamt 20 bis 30 Menschen ihn verfolgt und ein Taxi umstellt hatten, in das er sich geflüchtet hatte. Sie hätten den Fahrer dazu gezwungen, die Zentralverriegelung zu öffnen. Dann hätten sie den im Auto sitzenden Handgranaten-Werfer geschlagen und getreten, auch als er bereits auf dem Boden lag.

Der Angeklagte im aktuellen Fall habe ihn am Hals gepackt. Ein Mann aus der Gruppe wurde vom Landgericht Stuttgart zu drei Jahren und vier Monaten Jugendstrafe verurteilt - unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung. Dem Landgericht zufolge hatte er die Absicht, den Werfer lebensgefährlich zu verletzen. Es konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass er zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatte.

Sendung am Mi., 30.4.2025 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4

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