Katrin Lange (r, SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales, sowie Dietmar Woidke (l, SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, unterhalten sich vor Beginn des Treffens mit Landrätinnen, Landräten und Oberbürgermeistern aus Brandenburg.

Brandenburg Chronologie der Verfassungsschutz-Affäre: Wer wusste wann was?

Stand: 09.05.2025 19:33 Uhr

Die Affäre um die Entlassung von Brandenburgs Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller durch Innenministerin Katrin Lange (SPD) wirf viele Fragen auf. Darstellungen über den Fall gehen teilweise auseinander. rbb|24 rekonstruiert die Chronologie der Ereignisse.

18. Dezember 2024

Im Dezember gibt es Medienberichte von SZ, NDR und WDR, wonach der Brandenburger Verfassungsschutz unter Jörg Müller den AfD-Landesverband schon im November als gesichert extremistische Bestrebung hatte einstufen wollen. Das Gutachten dafür sei bereits fertiggestellt gewesen. Laut Recherche sei die Einstufung aber verschoben worden, um damit nicht den Eindruck zu erwecken, unzulässig in die vorgezogene Bundestagswahl eingreifen zu wollen.

20. Dezember 2024

In einem Interview mit der "Märkischen Oderzeitung" sagt Katrin Lange, die seit Mitte des Monats Innenministerin ist, sie nehme zu Medienspekulationen keine Stellung und kenne auch kein Gutachten dazu. Allerdings sagt sie auch, dass sie sich den Sachstand gründlich ansehen werde.

14. April 2025

An diesem Tag sprechen Jörg Müller und Katrin Lange miteinander. Thema des Treffens sei die Vorbereitung auf den Verfassungsschutzbericht 2024 gewesen, bestätigen Ministeriumskreise. Auch die Einstufung der AfD Brandenburg sei zur Sprache gekommen. Über den Inhalt dieses Gesprächs gehen die Darstellungen auseinander. Aus Ministeriumskreisen heißt es, die Ministerin habe Müller deutlich gemacht, dass man keinen Schnellschuss wolle und sie auf die Entscheidung der Bundesebene zur AfD warten wolle. Laut rbb|24-Recherche hat Müller das ausgedruckte Gutachten zum Termin mitgebracht. Aus Ministeriumskreisen heißt es, die Ministerin habe keinen Grund gehabt, sich Unterlagen dazu anzuschauen, da sie der Meinung war, man warte auf die Entscheidung aus dem Bund. Uneinigkeit herrscht bei der Darstellung, worüber Müller die Innenministerin genau informiert hat und ob Unterlagen übergeben wurden. Aus Ministeriumskreisen wird jedoch nicht bestritten, dass der Ministerin die Haltung Müllers zur Einstufung der AfD bekannt gewesen sei.

Symbolbild: Ordner mit Vermerken. (Quelle: Picture Alliance/Shotshop)
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Noch am selben Tag soll Müller dann die Entscheidung über die Einstufung tatsächlich getroffen haben. Er "schlusszeichnete" den Vorgang, stufte damit die AfD also zur extremistischen Bestrebung hoch. Eine schriftliche Information an die Ministerin darüber, dass diese Entscheidung getroffen wurde, soll laut Ministeriumskreisen aber nicht erfolgt sein. Auf Anfrage des rbb sagte jedoch der Innenpolitiker und frühere CDU-Minister Rainer Genilke, dass über abgezeichnete Vermerke einer Abteilungsleitung das Ministerbüro unmittelbar informiert werde, entweder über das elektronische Verwaltungssystem oder schriftlich.

17. April 2025

Aus der Abteilung Verfassungsschutz wird an das Ministerinnenbüro ein sogenannter Sprechzettel geschickt, zur Vorbereitung auf die Veröffentlichung des Verfassungsschutzgutachtens 2024. Sprechzettel enthalten Informationen und Formulierungsvorschläge zu bestimmten Themen. Auf diesem Sprechzettel ist bereits eine Hochstufung der AfD vermerkt. In der Ministeriumsleitung löst das keine Nachfragen aus.

2. Mai 2025

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die AfD als gesichert extremistische Bestrebung ein. Lange kritisiert den Zeitpunkt in einer Pressemitteilung. Sie spricht sich außerdem für eine politische Auseinandersetzung mit der Partei aus. Unmittelbare Auswirkungen auf die Einstufung des Brandenburger Landesverbands habe die Einstufung des BfV nicht. Mögliche Bezüge nach Brandenburg würden "in das weitere Einstufungsverfahren einfließen". Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren aber schon abgeschlossen. An diesem Tag soll es sowohl Mail-Verkehr als auch ein Gespräch zwischen Müller und Lange gegeben haben. Laut Ministeriumskreisen habe Müller Lange nahegelegt, die Einstufung auch für Brandenburg zu verkünden. Die Ministerin forderte daraufhin den aktuellen Stand des Verfahrens an.

Archivbild:Dietmar Woidke (l-r, SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, Katrin Lange (SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales, am 26.02.2025.(Quelle:picture alliance/dpa/S.Stache)
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5. Mai 2025

Aus Ministeriumskreisen heißt es, erst jetzt liege der Ministerin der vollständige Vorgang vor. Dass die Entscheidung zur Einstufung bereits am 14.4. getroffen wurde, sei ihr erst zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden. Gleiches gilt für die Dienstanweisung von 2023, auf deren Grundlage Müller diese Entscheidung eigenständig habe treffen

6. Mai 2025

Aus dem Ministerium kommt gegen Mittag eine Pressemitteilung, dass der Verfassungsschutz-Chef Jörg Müller von seinen Dienstgeschäften entbunden wurde. Weil das Vertrauen für eine Zusammenarbeit nicht mehr gegeben sei, sei Müller in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
 
An diesem Tag findet auch turnusgemäß eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) statt. Die PKK wird im Landtag regelmäßig über Aktivitäten des Verfassungsschutzes unterrichtet. Ein Thema ist die Einstufung der AfD. Es war bereits vor der bundesweiten Einstufung auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die Tagesordnung der PKK ist der Leitung des Innenministeriums üblicherweise bekannt, weil in der Regel die Ministerin oder der Minister eingeladen sind.

7. Mai 2025

Die Ministerin verteidigt ihr Vorgehen im Innenausschuss. Sie räumt ein, dass ihr die Dienstanweisung, nach der Müller die Entscheidung über die Einstufung der AfD eigenverantwortlich treffen konnte, nicht bekannt gewesen sei. Lange sei davon ausgegangen, dass die Entscheidung bei ihr liegen werde. Mit dem Inhalt des Hochstufungsvermerks selbst habe sie sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschäftigt. Allerdings räumt sie im Innenausschuss ein, dass in der Sache bereits im Vorfeld Gespräche stattgefunden hatten.

Sendung: Brandenburg aktuell, 09.05.2025, 19:30 Uhr