Die Holstein Kiel Fans (v.links) Emil, Papa Timo, Ida und Oma Eva sind traurig nach dem Spiel.

Schleswig-Holstein Holstein-Fans zwischen Trotz, Trauer und Zuversicht

Stand: 10.05.2025 20:12 Uhr

Die Holstein-Fans haben am Sonnabend beim Spiel gegen den SC Freiburg lange gehofft und gezittert, aber am Ende steht der sichere Abstieg. Der Zukunft in der 2. Liga sehen aber nicht alle pessimistisch entgegen.

Von Samir Chawki

Abpfiff, mit 1:2 verliert Holstein Kiel gegen den SC Freiburg. Im ausverkauften Stadion starrt Emil Petersen mit leerem Blick auf den Rasen, wo seine KSV gerade noch alles versucht hat. Emils Hände wissen nicht, was sie tun sollen: Klatschen oder sich zu trotzigen Fäusten ballen - er weiß es einfach nicht. Während andere Fans um ihn herum weinen und ihre Trauer rauslassen, setzt der Zehnjährige sich. Er versucht das Gesehene in seinem Kopf zu sortieren, ein Ellenbogen auf dem Knie und die Hand unterm Kinn schaut er ins Nichts. Sein Vater Timo streichelt ihm sanft über den Rücken und sagt resümierend zu ihm: "Wenn sie von Anfang so gespielt hätten, wie in den letzten Spielen, wären wir nicht abgestiegen." Mit einer Mischung aus Trotz und Trauer stimmt Emil in den letzten Holstein-Kiel-Gesang mit ein, sein Vater streichelt dabei weiter den Rücken.

Platzsturm Oma Petersen mit Zuversicht

Dabei hatte alles so gut begonnen, um 12.15 Uhr Kaffee und Kuchen in seiner Heimat in Glücksburg mit Oma Eva, Schwester Ida und Papa Timo, dann ab ins Stadion. Voller Zuversicht glaubte er an das Wunder Klassenerhalt. Wie alle aus seiner Familie. Die Petersens sind Holstein-Fans seit gefühlten Ewigkeiten und haben den Weg nach oben über die letzten Jahre begleitet. Beim Aufstieg in die 1. Liga waren Emils Papa Timo und Oma Eva im Stadion und sogar auf dem Platz. Die 74-jährige Eva erinnert sich: "Das war so eine schöne Stimmung, es wäre toll, wenn das heute wieder so wird." sagt sie mit einem Lächeln noch vor Anpfiff.

Führung zum perfekten Zeitpunkt, aber ...

Ähnlich hoch wie damals geht der Puls bei den Petersens nach dem Erklingen des Einlaufsongs von Holstein Kiel. Noch höher wird er in der 24. Minute: In der Kieler Defensive wackelt nach einem Seitfallzieher des Freiburgers Ginter das Gebälk. Doch die KSV zieht direkt nach dem perfekten Konter auf und geht durch Rosenboom mit 1:0 in Führung. Timo und Emil jubeln und stellen fest, dass sie beiden dachten, der Ball der Freiburger wäre schon drin gewesen. Die Hoffnung auf den Klassenerhalt ist prozentual gerade mindestens halb so hoch wie der Puls der Fußball verrückten Familie aus Glücksburg. Doch noch vor der Pause der Nackenschlag: der Freiburger Ausgleich und sogar noch eine Großchance der Gäste, Emils Bein fährt vor Nervosität auf und ab wie eine Nähmaschine. Die Pause sorgt für eine kurze Beruhigung seines Nervenkostüms. Papa Timos Halbzeit-Fazit: "Es ist ein leistungsgerechtes Remis, Freiburg schiebt ordentlich nach vorn" - und Emil hakt hinterher: "Kiel spielt aber auch richtig gut!". Timo nickt zustimmend.

Freiburger Partycrasher und mangelnde Schützenhilfe in Berlin

Fans von Holstein Kiel blicken in die Kamera im Stadion.

Im Mai 2024 war die Holstein-Welt noch in Ordnung: beim Platzsturm nach dem 1-1 gegen Düsseldorf waren Timo und Eva Petersen auch dabei.

Nach knapp einer Stunde pennt die Kieler Abwehr kurz und die Gäste gehen in Führung - Timo stellt typisch norddeutsch knapp dazu fest: "Schöne Flanke, aber das war zu einfach." Das große Zittern geht weiter, denn die Heidenheimer führen nun schon mit 2:0 bei Union Berlin. Timo beugt sich zu Emil und scheint ihn schon auf das scheinbar Unvermeidbare vorbereiten zu wollen: "Wenn das so bleibt mit der Heidenheimer Führung, sind wir abgestiegen." Über Minuten schauen beide gebannt und wortlos aufs Feld, sehen wie die KSV anrennt und alles versucht, aber gefährlich wird sie dabei nicht. In der 75. Minute stellt Emil fest: "Ich glaube, dass Holstein verliert, aber hoffe noch auf den Sieg." Die Nachspielzeit beginnt und Holstein wirft alles nach vorne, hat noch Chancen durch Emils beiden KSV-Lieblingsstürmer, doch sowohl Pichlers Kopfball als auch Machinos Freistoß landen nicht im Tor und die KSV steht neben dem VfL Bochum damit als zweiter Absteiger fest.

Trotz und Trauern nach Abpfiff

Doch die Petersens bleiben stolz auf ihre KSV und schauen optimistisch in die Zukunft wie Emils Schwester Ida: "Es ist ja nicht vorbei mit Holstein Kiel nach der 1. Liga, es geht ja trotzdem weiter. Ich finde eigentlich die 2. Liga auch ganz gut, da sind auch wieder mehr Gegner, die wir schlagen können." Emil grinst, als er das hört und fügt an: "In der 2. Liga werden wir mehr gewinnen und dann wieder aufsteigen." Mit einem Lächeln, Stolz und voller Zuversicht gehen die Petersens zurück zu ihrem Auto, sicherlich wird auf der Rückfahrt nach Glücksburg nicht nur gelacht, aber es wird trotz des Abstiegs nicht geweint werden. Holsteins Fans wissen eben, wo sie herkommen.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | 10.05.2025 | 19:30 Uhr