Kinder sitzen in einem Klassenraum, einige melden sich.

Mythos Lerntypen Was wirklich beim Lernen hilft

Stand: 09.05.2025 09:26 Uhr

Die Einteilung Lernender nach Lerntypen hat keine wissenschaftliche Grundlage. Sie kann Kinder sogar benachteiligen, zeigen Untersuchungen. Forschende erklären, wie wir am besten lernen und warum.

Von Daniel Peter und Sylvaine von Liebe, BR

Menschen sind verschieden, angeblich auch beim Lernen. Manche lernen am besten, wenn sie etwas beobachten, andere, wenn sie zuhören, heißt es. Manche prägen sich Lerninhalte bei praktischer Anwendung mit den Händen leichter ein, andere eignen sie sich am besten beim Lesen und Nachdenken an. Diese Einteilung nach Lerntypen ist weit verbreitet, auch unter Lehrkräften - wissenschaftlich belegt ist sie aber nicht.

Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Untersuchung zeigt sogar: Kinder können Nachteile haben, wenn ihr Umfeld sie einem bestimmten Lerntyp zuordnet. Demnach halten Eltern und Lehrer Kinder, die angeblich bevorzugt visuell lernen, für intelligenter als solche, die sich in der Schule eher praktisch orientiert zeigen und in Fächern besser abschneiden, in denen ihr Tastsinn beziehungsweise das Haptische gefragt ist, wie etwa in Sport, Musik und Kunst.

Lerntypen existieren laut Wissenschaft nicht

Lerntypen seien einer von vielen Mythen, sagt Katharina von Kriegstein, Professorin für kognitive und klinische Neurowissenschaften an der TU Dresden. Der bekannteste in Deutschland sei die Klassifizierung von Typen, die entweder übers Hören, Sehen oder Fühlen besser lernen. Solche Mythen entstünden durch Fehlinterpretationen bestimmter Informationen, meint Tim Fütterer, Bildungsforscher an der Universität Tübingen.

Er warnt davor, sich selbst einem bestimmten Lerntypus zuzuordnen: "Wenn man selbst eine Vorstellung davon hat, als Lernender, dass man einem gewissen Typen angehört, verbaut man sich vielleicht auch Chancen und Lerngelegenheiten“, so Fütterer.

Die verschiedenen Lerntypen hat erstmals der Biochemiker Frederic Vester in seinem Buch "Denken, Lernen, Vergessen“ von 1975 beschrieben. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es aber keine, unterstreicht der Bildungsforscher. Lernende seien zwar unterschiedlich, ebenso ihre kognitiven Voraussetzungen und Interessen, aber deswegen könne man Menschen nicht in Typen "kategorisieren". Das zeige sich empirisch einfach nicht.

Der Erfolg von multisensorischem Lernen

Belegt ist hingegen, dass sogenanntes multisensorisches Lernen einen positiven Effekt hat. Multisensorisch, das heißt: mit mehreren Sinnesorganen gleichzeitig. Auf das Lernen bezogen bedeutet das: Wenn man zum Beispiel beim Vokabellernen nicht nur das Wort hört, sondern gleichzeitig auch ein Bild dazu sieht. Oder wenn man die Vokabel während des Sprechens mit einer Geste darstellt.

Die Neurowissenschaftlerin von Kriegstein hat zu dieser Lernart viel geforscht. Ihre Erkenntnis: Der positive Lerneffekt gegenüber monosensorischem Lernen, also dem Lernen mit nur einem Sinnesorgan wie etwa dem Hören, stelle sich zwar nicht sofort ein, mache sich aber nach einer gewissen Zeit bemerkbar.

Menschen, die zum Beispiel multisensorisch Vokabeln lernen, könnten sich nach sechs Monaten besser an die neuen Wörter erinnern als diejenigen, die diese nur monosensorisch gelernt haben, ist ihre Erfahrung. Warum multisensorisches Lernen so gut funktioniert, liegt laut der Forscherin an einem Zusammenspiel von der Großhirnrinde vom Hören, dem sogenannten auditiven Cortex und der Großhirnrinde vom Sehen, dem visuellen Cortex.